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Buntweiss

15.06.2016

Ein weiterer Beweis dafür, dass manche Manager die Volkswirtschaft mehr kosten, als sie einsparen.

Bis vor einiger Zeit präsentierte sich unser Lager für buntes Papier recht farbig: Alle Schachteln waren aussen hübsch säuberlich etikettiert, und jede Nuss sah von weitem, welche Papierfarbe sich in welcher Schachtel verbarg. Der Grund für diese Übersicht ist ein einfacher: Irgendwelche findigen Köpfe beschlossen vor Generationen, für die Etiketten dieselbe Papierfarbe zu verwenden, wie das Papier in der Kartonschachtel hat. Das hatte sich irgendwie bewährt und erlaubte ein zackiges Arbeiten. Auch in der Lack- und Farbenindustrie handhabt man sowas ganz ähnlich.

Der moderne globale Divisionmanager von heute hat im Bemühen, seinen eigenen zu hoch bezahlten Arbeitsplatz zu rechtfertigen, eine tolle Idee gehabt, Kosten weiter zu senken: Er fackelte nicht lange und machte aus den ehemals bunten Etiketten ganz einfach weisse Etiketten. Ist doch wirklich eine geniale Idee, und dass Generationen von Arbeitern, Lageristen und Druckern vor ihm nicht schon selber auf die tiefsinnige Idee gekommen sind, ist ja nicht seine Schuld. Natürlich wird Papier gleichwohl zweimal jährlich teurer - aber egal.

Stolz kann der Superman(ager) also seinem Oberaufseher die Zahlen auf den Tisch schmettern, die zeigen, wieviel allein durch diese Massnahme weltweit eingespart werden konnte - natürlich verbunden mit einem freudigen Schwanzwedeln und in Erwartung eines Belohnung-Gegenwertes, der einer Jacht vor Miami oder einem Häuschen in den Schweizer Alpen entspricht.

Wir Drucker, von Sidney über Beggingen bis Reykjavík stehen also nun vor unseren Regalen - und unsere Arbeitswelt ist wieder um einiges einfacher geworden. Wie toll: Keine Farbirritationen stören uns mehr. Wir sind auch demütig dankbar für diese quantologische Weiterentwicklung der Menschheit und stellen fest, dass die Evolutions-Oberschicht wieder einmal schlauer war als wir Praktiker-Dämel alle miteinander.

"Da steh ich nun, ich armer Tor - und bin so klug als wie zuvor." Wir Druckerdussel setzen also die Brille ab, gehen mit der Nase ganz nahe ans Regal und versuchen die Papierfarbe anhand des Etikettentextes zu finden, der kleiner geworden ist - denn auch mit verringerter Schriftgrösse lässt sich sparen: Druckerschwärze nämlich.



Im anderen Lager - jenem für das weisse Papier - schreien uns knallrote Verpackungen an. Streift unser Blick ungewollt diese rote Front, verdirbt es innert Sekundenbruchteilen die Farbsichtigkeit: Ist man als Drucker gerade dabei, die Farbbalance der aus der laufenden Maschine kommenden Druckbogen zu kontrollieren, muss man das Vorhaben abbrechen und wenigstens eine Minute warten, bis sich die Schwingungen des dröhnenden Rots auf der Netzhaut beruhigt haben. Vergleichen Sie diese Situation ruhig mit dem spontanen Auftreten einer Migräneattacke. Ein kurzer Blick durchs Fenster ins komplementäre Grüne kann etwas helfen. Nicht umsonst tragen qualitätsbewusste Drucker ein mittelgraues T-Shirt - alle anderen Kleiderfarben spiegeln einen Farbstich auf die zu kontrollierenden Druckbogen. Eine schwarze T-Shirt-Farbe frisst Licht, wodurch ein Abstimmen auch erschwert wird. Ein weisses T-Shirt spiegelt die Farben der Umgebung. Lachen Sie jetzt bitte nicht: In der farbverarbeitenden Branche gibt es noch ganz andere Faktoren.

Irgendwann - wenn die Intelligenz also ins Unerträgliche zwangsentwickelt wurde - werden sich die gesamte Menschheit und unsere buntweissen und weissroten Papierlager auf einem kleinen, fingernagelgrossen Speicherchip tummeln. Voll digitalisiert, rationalisiert, eindeutig adressiert und überschaubar.

Hoffentlich gehen wir dann nicht aus Versehen verloren, wenn der nächste Lackaffe die Speicherchips wegrationalisiert.

 

 
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