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Empörungskult oder Doppelmoral?

01.08.2021

Unter dem Titel "Wenn Männer Frauen töten" druckt die AZ einen Bericht über die mediale Verharmlosung der männlichen Täterschaft beim Beziehungsdelikt in Beringen.

Der Begriff "Femizid" wird versucht einzuführen. Im Kern richtig - und doch falsch. Ganz falsch. Denn es geht nicht um korrekte Sprache, sondern darum, sich abzuarbeiten und zu zentrieren.

Die AZ recherchiert investigativ und ist somit eine wichtige Instanz. Schade, dass dieses Blatt so oft als Spielwiese fehlbenutzt wird.

 

Bei „Femizid“ stellt man sich einen männlicher Täter vor, welcher nachts in Londons Strassen unterwegs ist und gezielt Frauen ermordet. Ein Blick ins Wörterbuch offenbart: „Femizid: Tötung einer Frau wegen der Eigenschaft, Frau zu sein.“

Wie nennt man es, wenn bei zwei verheirateten Männern der eine beschliesst, seinen Partner umzubringen? Androzid? Und bei zwei verheirateten Frauen dann eben doch auch „Femizid“? Oder ist es eben in diesen Fällen „nur“ ein Beziehungsdelikt? Also ein „Homizid: Tötung eines anderen Menschen“?

Wohl auch nicht. Der/die eine der beiden tötet den/die Partner/in nicht, weil diese/r ein Mann oder eine Frau ist, sondern weil die Beziehung in einer unendlichen Krise steckt. Unabhängig vom Geschlecht. Die Internetsuchmaschine zeigt: Ausser „Intimizid“ gibt es noch keinen Fachbegriff für die Tötung seines/seiner/ihrer/ihres Lebenspartners/Lebenspartnerin. Auf deutsch nennt man es deswegen vorerst „Beziehungsdelikt“, oder treffender „Beziehungs-Bluttat“. Vielleicht eignet sich deshalb der Begriff „Sozizid“?

Zugegeben: Im Lateinischunterricht hatte ich nicht mal den Fensterplatz. Vielleicht passt gar „Coniugizid“? „Femizid“ hingegen ist definitiv der falsche Begriff. Allerdings wurde im Artikel von Sharon Saameli unmissverständlich der eklatante Mangel an Sensibilität sowie das Bedürfnis nach korrekter Benennung herausgearbeitet. Stimmt schon: Gerade Medien, die mit den übrigen drei Gewalten zu einem Herz und einer Seele verschmolzen sind, neigen zur Anpassung der Begriffe ganz nach politischem Ziel und Gusto. „Nur eine Frau“ – diese Einstellung ist selbst in unserem Kulturkreis leider noch oft anzutreffen.

In der folgenden Zeile des Wörterbuchs stosse ich auf „Fetozid: Tötung und Entfernung eines oder mehrerer Föten im Mutterleib“. Dies findet nicht „nur“ alle zwei Wochen statt, sondern immerhin alle 48 Minuten. Also über 400 mal häufiger. Wo sind da die entsprechenden Anstrengungen derjenigen Kreise, die - um sich zu plazieren - einen Femizid mit einem Homizid bzw. Sozizid bzw. Coniugizid verwechseln? „Unterbrechung“ des Lebens bzw. der Schwangerschaft klingt ja absichtlich ziemlich niedlich, unsensibel, unverbindlich und tragikfrei. Das Ding sei ja „nur ein Zellklumpen“.

Bis die ‘zig …zid-Fachbegriffe alle erfunden und etabliert sind, könnte man sich darauf einigen, einen Mord auch als solchen zu benennen. Das Drama von Beringen war ja auch keine „Unterbrechung der Beziehung“.

 

 
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