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Leidiger Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

24.10.2016

Über Anmassung und Kompetenzverweigerung

Die Schweiz wurde nun also vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am 18. Oktober 2016 gerügt wegen den Privatdetektiven, die auf Versicherte angesetzt werden, um möglichen Betrug aufzudecken.

Nicht zuletzt geht es im Entscheid auch darum, dass es in der Schweiz für diese Form der Überwachung keine hinreichende Gesetzesgrundlage zu geben scheint.

All jene Exponate und Nachfolger der rechten Parteien, die jetzt wieder aufheulen und den Austritt aus der Konvention fordern, sind möglicherweise dafür verantwortlich, dass für so vieles innerhalb der Schweiz erst keine Gesetzesgrundlage erarbeitet wird. Absichtlich. Ausserdem haben die Aufheulenden den Entscheid nicht gelesen. Der Entscheid aus Strassburg darf somit als Entwicklungshilfe oder Horizonterweiterung gesehen werden - sofern es die rechtshelvetische Selbstherrlichkeit zulässt.

Man kann allerdings verschiedener Auffassung sein über den allgemeinen Inhalt des Themas: Zum einen sollte man offensichtliche Versicherungsbetrüger tatsächlich auffliegen lassen, zum anderen wird die Bespitzelung wohl übertrieben und nicht selten als Vorwand missbraucht, dem Betroffenen einfach die Leistungen zu Unrecht zu kürzen. Dazu stützen sich die Versicherer schon mal auf fragwürdige Methoden und auf noch fragwürdigere Interpretationen, die zur Durchsetzung dann säuberlich juristisch verpackt werden.

Wie vorstehend geschildert operieren Versicherungen hier ohne rechtliche Grundlage, also anmassend. Andererseits verweigern diese Versicherungen häufig alle Fakten, Pflichten und Kompetenzen. In diesem selbstgestrickten Weltbild kommt es dann zu Ausblühungen wie der folgenden.

Wie ist beispielsweise das Vorgehen der Invalidenversicherung, wenn sich ein Versicherter nach jahrzehntelangem gesundheitlichen Werdegang (oder: Niedergang) anmeldet?

- Erstellung eines Gutachtens, vorgenommen durch den Regionalärztlichen Dienst. Diese ablehnenden Gutachten kommen aus der Ferne zu Stande, wobei der Antragsteller niemals kontaktiert oder befragt wird. Man darf hier deshalb klar von Gefälligkeitsgutachten sprechen.

- Zu den Aufgaben der Invalidenversicherung IV gehören nicht nur Wiedereingliederung oder Rente, sondern auch Vorbeugung, damit sich der Fall nicht verschlimmert. Nur leider werden die meisten dieser Möglichkeiten amtlich verweigert.

- Eine weitere Aufgabe der IV wäre zu schauen, wie die Situation des Versicherten aussieht, und was für Optionen bestehen zur Unterstützung. Auch diese Aufgabe wird grundsätzlich verweigert.

- Die Invalidenversicherung setzt leider keine Bespitzelung ein, wenn es darum ginge, den Antragsteller zu überwachen um festzustellen, ob ein Leistungsanspruchsgesuch zu Recht eingereicht wurde. Mehr noch: Die Invalidenversicherung verweigert sich in allen nur möglichen Punkten.

Das Resultat kann dann konkret wie folgt aussehen:

- Ein Familienvater wagt den Schritt in die berufliche Selbständigkeit und schafft sich seinen eigenen Arbeitsplatz; weil er einerseits langzeitarbeitslos war, und andererseits bestehen jahrzehntelange zunehmende gesundheitliche Handicaps. Mit dieser Selbständigkeit werden einige gesundheitliche Dispositionen optimal berücksichtigt.

- Das unter grossen Entbehrungen (auch mal gibt es 7 Jahre ohne Urlaub) aufgebaute selbständige Unternehmen wächst, gleichzeitig verschlechtert sich die Gesundheit weiterhin.

- Anmeldungen bei der Invalidenversicherung finden statt, werden aber wiederholt abgelehnt. Jedesmal mit dem Schlusssatz, es stünde einem frei, sich erneut anzumelden.

- Unabhängig von alledem kommt die Krankenkassse auf die glorreiche Idee und sperrt den Familienvater samt Familie über Jahre von sämtlichen Leistungen aus. Der Jurist des BAG und andere stellen schliesslich fest, dass die Sperre eindeutig widerrechtlich erfolgt ist.

- Derart gesperrt - auch ein Klinikaufenthalt wurde verweigert - neigt sich das Geschäft des Familienvaters rasch seinem Ende zu.

- Ein Rechtsanwalt meinte zur Situation: "Die IV kann je nach dem auch Hilfestellung bieten, was die Weiterführung Ihres Unternehmens anbelangt. Zudem sollte die IV ebenfalls umgehend dafür sorgen, dass Sie richtig therapiert werden." Es handelt sich bei der IV um ein Amt, und somit verweigert die IV sich weiterhin.

- Schliesslich muss der Familienvater die Kundschaft informieren, dass der Betrieb geschlossen wird - nur noch kleinere vereinzelte Aufträge können ausgeführt werden. Der soziale Abstieg beschleunigt sich rasant.

- Ein Vertreter einer anderen Behörde regt sich jetzt auf, dass der Familienvater trotz angekündigter und vollzogener Betriebsschliessung doch noch ab und zu Aufträge annimmt und ausführt. Soll der Familienvater jetzt noch zusätzliche Energie aufwenden, dem Behördenmenschen zu erklären, was es bedeutet, ums nackte Überleben zu kämpfen - besonders dann, wenn Ämter und IV sich verweigern? Irgendwie macht es den Anschein, dass viele Schweizer nicht im Entferntesten eine Ahnung von der Realität, von Krankheit, Armut oder Burn-out haben. Es gibt zuviel Kurzsichtigkeit, Eitelkeit und Selbstgerechtigkeit in zu vielen Ämtern und Behörden - das sind keine guten Voraussetzungen für Problemlösungen. Im Gegenteil: wegen diesem Übermass an Kompetenzverweigerung werden aus simplen Bagatellen furchtbar umtriebige Katastrophen, die dann von anderen, nachgeschalteten und ähnlich veranlagten Behörden noch exponentiell verstärkt werden. Es ergibt sich eine Kettenreaktion.

- Damit man sich bei der Invalidenversicherung überhaupt noch anmelden kann, scheint es angezeigt, einen Rechtsanwalt zu bemühen. Inzwischen haben andere Institutionen wenigstens die Krankenkasse so weit gebracht, ihren Fehler einzusehen und die Sperre aufzuheben. Erst jetzt (!) kann damit begonnen werden, Fachärzte zu suchen und zu konsultieren, welche die Grundlage erarbeiten können, dass der Patient (rechtsanwaltlich begleitet) sich bei der IV anmelden kann. Es herrscht chronischer Fachärztemangel, was die Situation massiv erschwert. Termine können nur in Abständen von Wochen oder Monaten wahrgenommen werden.

Die Invalidenversicherung hat auf ihrem eigenen Konto gespart, indem sie Existenzen vernichtet. Gesamtvolkswirtschaftlich gesehen hat sie damit einen negativen Hebeleffekt ausgelöst: Das, was die IV gespart hat, geht andernorts mehrfach den Bach runter. Und statt viel Geld für dünne Gefälligkeitsgutachten auszugeben, versäumt die IV lieber ihre gesetzlichen Pflichten. Zudem: Nicht etwa die Versicherungen - hier die IV - werden kriminalisiert, sondern die Opfer.

Wie man mit soviel Realitätsverweigerung einen Staat führen, die 'beste Armee der Welt' befehligen, Welt und Klima retten, Korruption bekämpfen und gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen erschliessen will? Keine Ahnung - vieles davon findet wahrscheinlich in einer imaginären Parallelwelt statt. Nur die Vernichtung von Steuergeldern und die Beschädigung der Volkswirtschaft sind real.

Hoffentlich bleibt die eingangs erwähnte Rüge nicht ohne Geschwisterchen.

 

 
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