Wäre ich nur mit einer Spur mehr Intelligenz ausgestattet, hätte ich es wissen sollen.
Doch wie im Film 'Die wunderbare Welt der Tiere', in welchem ein Löwe mehrfach ins selbe Erdloch stapft, gehöre auch ich wohl zu den etwas träger anspringenden Kreaturen. Oder war es vielleicht die Hoffnung darauf, dass Produktmanager lernfähig sein können und ihre Brötchen zwar nach vielen Jahren nicht grösser, dafür endlich besser backen?
Eine einzige Scheibe Käse, die in ihrer Mächtigkeit an ein Dünnschliffpräparat erinnert; eine Scheibe Essiggurke, welche wohl mit den gleichen Werkzeugeinstellungen gehobelt wurde, und etwas Sauce, die geschmacklich allerdings ganz passabel war. Das Ganze kommt in einer Masse daher, welche jeden Bäckerlehrling von seiner beruflichen Zukunft dispensiert hätte - die Bezeichnung dafür lautet 'Spezialbrot'. Auf einer Skala können bekanntlich sowohl das obere als auch das untere Ende mit 'speziell' bezeichnet werden. In diesem Fall würde ich die Bezeichnung 'Brot' wirklich in Anführungs- und Schlusszeichen stehen lassen. In der alten DDR hätte das wohl 'Brotersatz' geheissen.
Es ist schwer zu sagen, ob es sich bei diesem Produkt um Restbestände eines Armeelagers handelt. In anderen Ländern habe ich niemals so ein dürftiges bzw. geschmackslädiertes 'Sandwich mit Käse' (oder mit Wasauchimmer) gekauft und gegessen - das wäre dort verboten. Vielleicht erinnert es allenfalls ein wenig an die Verpflegung deutscher Autobahnraststätten aus den späten 70er Jahren. Dieses Sandwich schmeckt zwar nicht verdorben oder abgelaufen, doch scheint es sich bei den Zutaten um allerbilligste Waren zu handeln. Bei einem Ranking würde es fast gleichauf liegen mit dem alten Brot, das wir für die Enten sammeln. Die Qualität des Fastfoods meiner liebsten Burgerkette nimmt sich da um Welten besser aus.
Es handelt sich hier nicht um einen Einzelfall, bei welchem mal ein Sandwich bedauerlicherweise nicht den durchschnittlichen Anforderungen der Kundschaft entspricht: Ich beobachte diese minderwertige Qualität schon seit etlichen Jahren und in verschiedensten Verkaufsstellen quer durchs Land. Unterboten wird dieses höchstpreisige kulinarische Angebot, welches man einer schweizerischen Kundschaft kühn und keck zumutet, lediglich noch durch die Dreieck-Toasts des gleichen Herstellers.
Kleiner Abschweifer - aus der Sicht des geneigten Autofahrers: Es gibt von anderen Herstellern zum selben Preis reichhaltigst belegte Brote (sogar mit frischem Basilikum) mit bestem Geschmack und ebensolcher Frische - doch lassen diese sich während der Fahrt niemals fehlerfrei verzehren, weil entweder eine Tomatenscheibe auf die helle Hose oder das Hemd fällt, oder man schlicht beide Hände plus 4 Servietten benötigt. So gesehen ist mein Betty Bossi-Sandwich optimal gebaut. Ginge es rein um Funktionalität, könnte Betty Bossi alle Sandwich-Zutaten durch einen Extruder mühlen, bei 80° C vulkanisieren und dann als tropffreie Einkomponentenstange verkaufen, die natürlich nur ganz zufällig an Tricatel-Erzeugnisse erinnern würde.
Dass 'Betty Bossi' auf dem Produkt draufsteht, ist an sich schon eine Verspottung einer ganzen Nation. Bei der angepriesenen 'kulinarischen Kompetenz' muss es sich um einen mittelmässigen Gag handeln, oder das Label ist eine 'Cashcow' - ein Goldesel. Coop hatte im Dezember 2012 von Ringier auch die zweite Hälfte des Aktienkapitals von Betty Bossi übernommen. Vergleiche ich mein verheultes Betty Bossi-Sandwich mit den übrigen coop-Produkten, erscheint mir die Relation als Stilbruch.
Möglicherweise sollte ich mich daran halten, was ich selber meinen Kindern predige: "Im Auto und erst recht während der Fahrt wird nicht gegessen". Vielleicht bin ich aber einfallsloses Opfer der Vielfalt und habe nicht bemerkt, dass ich die Wahl hätte zwischen 'frisch und fein', 'BB-Food' und 'Astronautennahrung'.
Wenn ich folgenden Eintrag auf Wikipedia lese: "Betty Bossi ist eine fiktive Köchin, die seit 1956 den Schweizern das Kochen und Haushalten beibringt", würde ich sagen: Na dann mal Prost!