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Technik

Der Gürtel

17.11.2016

Die Rede ist hier nicht vom 'Rostgürtel', vom 'Baumwollgürtel', vom 'Getreide- oder Bibelgürtel' - nein; einfach nur 'Gürtel'. Wie er zum anpassbaren Halten von Beinkleidern dient.

Wahrscheinlich ist es gar nicht so einfach, in einem Konzern eine Anstellung als Einkäufer zu erhalten. Sicher muss eine Palette von Anforderungen erfüllt werden. Als Einkäufer sollte man über Werkstoffe Bescheid wissen, über Verarbeitungsprozesse, über Schadstoffe und - was wahrscheinlich die grösste Herausforderung ist - man sollte über gewisse Trends auf dem Laufenden sein.

Auf der anderen Seite stehen die Käuferinnen und Käufer, die bestimmte Anforderungen an ein Produkt haben. Nehmen wir für unsere beiden Beispiele Produkte aus dem Haushalt.

Der Gürtel besteht aus wenigen Komponenten. Verglichen mit einem Rasierapparat oder einer Teigknetmaschine nimmt sich die Gürtel-Technik doch eher harmlos aus.

Als Einkäufer müsste man sich also vermutlich ziemlich anstrengen, so ein Produkt zu vergeigen.

Wir haben so einen Gürtel erworben bei Lehner-Versand, einem Versandhaus, dass ein einfaches und preiswertes Segment abdeckt. Normalerweise sind die Waren in Ordnung.

Dieser Gürtel fällt also auf wie folgt: Die obere Schicht ist mit der tragenden Schicht nicht etwa vernäht, sondern verleimt oder laminiert. Dadurch lösen sich die Schichten innert sehr kurzer Zeit voneinander.

An der Schnalle ist ein Dorn, den man durchs Gürtelloch steckt. Eine Bedienungsanleitung braucht für diesen Handgriff niemand. Das Metall dieses Dorns ist so weich, dass er sich mit der Zeit durchbiegt, nicht mehr auf dem Gegenstück der Schnalle aufliegt - und Schwupps, geht der Gürtel auf.

Bei anderen Gürteln fällt auf, dass über die Jahre zusätzliches Sparpotential entdeckt wird. So wird die Anzahl Löcher im Leder immer geringer. Und wenn der Hersteller den Gürtel also nicht in einer entsprechend erhöhten Anzahl an Grössen anbietet, passt kaum ein Gürtel auf Anhieb. In der Produktion irgendwo in einem Gefängnis, einem Arbeitslager oder einem chinesischen Hinterhof hat man durch das Weglassen einer Anzahl Löcher wahrscheinlich ein oder zwei Cent gespart. Bis der Gürtel in Europa im Handel ist, erfährt er einen x-fachen Preisaufschlag. Aber bei hundert Millionen Löchern lässt sich doch noch irgend ein netter Manager-Bonus generieren.

Ob der Kunde zufrieden ist, ob der Gürtel nach wenigen Wochen oder Monaten entsorgt werden muss, stört den Ego-Manager oder Einkäufer nicht. Es zählt nur die kurzfristige Kohle. Ein Betrug am Kunden mit minderwertigen Materialien stört wirklich niemanden. Umweltschutz ist auch allen Wurscht, ausser den genötigten und verängstigten Konsumenten.

Zweites Beispiel:

Irgendwie war ich wohl schon altmodisch, als ich noch jung war und mir meinen ersten Haushalt aufbaute. Jetzt - Jahrzehnte später - ist es nicht besser geworden mit meinen rückständigen Ansichten. Wer sich Küchengefässe kauft, die nicht aus Ton, Porzellan oder Holz gefertigt sind, kommt irgendwann in die Abteilung von COOP (oder allen anderen Läden), wo die Plastikgefässe mit Deckel stehen. Ich meine diese praktischen, aus hochwertigem Kunststoff. Tauglich für den Tiefkühler, gekochtes Gut und sogar die Microwelle. Wenn man den Deckel richtig aufsetzt, ist die Dose tatsächlich wasserdicht verschlossen.

Also: Eigentlich hätte ich eine ganze Anzahl dieser Plastiktöpfe gebraucht. Aber erst kaufe ich nur mal vielleicht drei verschiedene des gleichen Herstellers, einfach um sie mal auszuprobieren. Und tatsächlich: sie konvenieren. Beim übernächsten Einkaufsbummel möchte ich meinen Bestand an Plastiktöpfen also auf die gewünschte Anzahl und Grössenvielfalt aufstocken, da mich die Qualität überzeugt hat.

Entweder hat der zuständige Einkäufer die Firma verlassen, der Umsatz auf diesem Produkt hat nicht gestimmt, der Einkäufer wurde von einem anderen Anbieter überzeugt oder über den Tisch gezogen, oder was weiss ich sonst. Auf jeden Fall gibt es diese Produkte nicht mehr. Dafür stehen jetzt Gefässe eines anderen Herstellers im Regal. Selbstverständlich schliessen diese Deckel anders, sind die Grössen anders und wenn ich sie doch kaufen und mit meinen früher erworbenen Gefässen stapeln möchte, passt der Winkel nicht mehr.

Ich bin einmal mehr begeistert von der Strategie der gelernten und wohl entlöhnten Einkäufer und deren Vorgesetzten. Kundenbindung sieht anders aus.

Gerade fällt mir noch ein drittes Beispiel ein:

Inzwischen habe ich Abschied genommen von Oma Nieheckes vererbtem Emaille-Kochgeschirr und habe mir hypermoderne antihaftbeschichtete Pfannen und Töpfe zugelegt. Natürlich weiss ich, dass Nanobeschichtungen nicht gerade unbedenklich sind, aber hier geht es um mein drittes Beispiel. Diese Töpfe und Pfannen sollten innen nicht mit Metall-Kochlöffeln in Verbindung kommen, da sonst die Schicht beschädigt und zerstört wird. Also kauft man sich Plastikkochlöffel. Einige davon haben einen Metallgriff, der schwerer ist als der Rest des Löffels. Auch solche von Schweizer Markenherstellern. Aber das würde jetzt zum Beispiel Nr. Vier werden, was den Rahmen sprengen würde.

Ich bin nicht gerade die 'Töpfchen-Hexe', aber mehr als zwei solcher Dinger habe ich mir eben schon gekauft. Schliesslich möchte ich drei Deziliter Sauce nicht im 4-Liter-Geschütz kochen. Ja - schon geht sie los, die Suche nach Kochlöffeln, welche diesen kleinen Kochtöpfen gerecht werden. Die normalen sind zu lang, und sie kippen (auch ohne Schwermetallgriff) mitsamt der Sauce auf den Herd. Übergewicht.

Ich habe in allen möglichen Läden im In- und (schäm) Ausland nachgesehen: Ich habe sie nicht gefunden.

Aber ich könnte einen Holzlöffel hinten absägen und die Kanten abschleifen.

Beim Gürtel könnte ich eine Lochzange plus Ösenzange kaufen, und mit etwas Geschick ersetze ich den Weichmetalldorn durch einen gehärteten Stahlnagel passender Grösse. Irgendjemand wird mir das Ding schon anschweissen.

Wo sind sie geblieben, die Einkäufer mit Grips? Ich wage zu behaupten, dass viele Konsumenten und -tinnen mündig genug wären, um mit funktionierenden Produkten umzugehen, auch wenn sie geringfügig mehr als die 99 Cent (umgerechnet 7.95 CHF / wenn Aktion: 5.95 CHF) kosten würden.

Ich fass es einfach nicht: Wie konnte die Menschheit all die Jahrhunderte überleben, ohne den Segen der modernen einfältigen Vielfalt?

 

 
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